Kritische Nährstoffe bei pflanzlicher Ernährung (Teil 1)
von Pia Sander-Beuermann
Wenn Du Dich vegan ernährst, gibt es verschiedene Nährstoffe, auf die Du verstärkt achten solltest, um keinen Mangel zu riskieren. Bei manchen Nährstoffen kann daher eine gezielte Supplementierung notwendig werden, bei anderen kann ein Mangel schon durch eine bewusste Auswahl bestimmter Lebensmittel vermieden werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) hat hierzu eine Liste mit den kritischen Nährstoffen bei veganer Ernährung veröffentlicht, über die wir Dir einen Überblick verschaffen werden. In diesem Beitrag geht es insbesondere um die Nährstoffe Vitamin B12, Calcium, Vitamin D, Zink und Eisen. Wir erklären Dir jeweils, warum sie als kritisch gelten und welche Blutwerte untersucht werden können. Dazu bekommst Du von uns Tipps, mit welchen veganen Lebensmitteln Du jeweils Deinen täglichen Bedarf decken kannst und wann eine Supplementierung wirklich notwendig wird.
- Vitamin B12
Vitamin B12 gilt als der kritischste Nährstoff bei veganer Ernährung und kommt nahezu ausschließlich in Fleischprodukten vor. Grund für den Nährstoffbestand in Tieren sind Vitamin B12 produzierende Bakterien im Mikrobiom von Wiederkäuern, welches in den Muskeln sowie Organen der Tiere gespeichert wird. Andere Tiere und Menschen nehmen das Vitamin dann über die Nahrungskette auf. In der aktuellen Forschung wird versucht, mit Hilfe von Bakterien beispielsweise vegane Joghurtkulturen zu züchten, die dann ausreichend Vitamin B12 enthalten, um den Bedarf abzudecken. Jedoch ist der Ansatz noch nicht ausgereift, weshalb bislang empfohlen wird, diesen Mikronährstoff bei veganer Ernährung grundsätzlich zu supplementieren.
Zur Überprüfung eines potenziellen Vitamin B12-Mangels gibt es drei verschiedene Werte, die bestimmt werden können und anhand derer ein Vitamin B12-Mangel diagnostiziert wird. Über ein Blutbild lassen sich der Gesamt-Vitamin-B12 Gehalt und der Holo-Transcobalamin (HoloTC) Gehalt bestimmen. Diese Marker reichen meist aus, um einen Vitamin B12-Mangel zu bestätigen bzw. auszuschließen. Ausnahmen sind Personen mit Nierenerkrankungen, welche trotz eines bestehenden Vitamin B12-Mangels unauffällige Werte haben. In diesen Fällen ist eine Methylmalonsäure (MMA) Bestimmung über eine Urinprobe sinnvoll, um auch hier einen Mangel ausschließen zu können.
- Calcium
Auch Calcium wird von der DGE als kritischer Nährstoff ausgewiesen, was durch Studien begründet werden kann, die einen vermehrten Calciummangel bei Veganer:innen feststellen. Allerdings liegt dies nicht daran, dass die vegane Ernährung keine ausreichenden Calciumquellen bietet. Denn mit einer Vielzahl an Lebensmitteln wie verschiedenen Samen (Sesam, Chiasamen, Leinsamen), Nüssen (Mandeln, Haselnüsse), Gemüse (Brennessel, Brokkoli, Grünkohl) und angereicherten Getränken (Mineralwasser, calciumangereicherte Pflanzenmilch) kann der tägliche Bedarf von 1g Calcium spielerisch gedeckt werden. Somit kann eine bewusste Lebensmittelauswahl bereits einen Mangel vorbeugen und eine Supplementierung ist nicht automatisch erforderlich.
Um einen potenziellen Calciummangel diagnostizieren oder ausschließen zu können, ist der erste Schritt die Untersuchung des Gesamtkalziums im Blut. Wenn dieser Parameter erniedrigt sein sollte, erfolgt die Analyse weiterer Blutwerte, um die Ursache für den Mangel zu finden. Denn nicht nur eine mangelhafte Nährstoffzufuhr, sondern auch verschiedene Krankheiten können zu einem verringerten Calciumgehalt im Blut führen.
- Vitamin D
Vitamin D ist als Hormon sehr wichtig für die Entwicklung des Immunsystems und wird zu 80 bis 90 Prozent über Sonnenlicht vom Körper selbst synthetisiert. Über die Nahrung werden grundsätzlich nur geringe Mengen aufgenommen, weshalb der Nährstoff zwar als kritischer Nährstoff bei veganer Ernährung aufgeführt wird, dies jedoch wenig mit der Ernährung zu tun hat. Viel mehr spielt es eine Rolle, wie viel und wie oft Du Sonnenlicht bekommst, weshalb der Gesamtbevölkerung in Deutschland insbesondere während der Wintermonate ein Mangel droht. Viele Personen supplementieren daher schon prophylaktisch in der kälteren Jahreszeit Vitamin D3. Dennoch ist es sinnvoll, den Vitamin D3 Status im Blut zu überprüfen, um das Supplement individuell zu dosieren.
Auch hier gibt es verschiedene Parameter, die untersucht werden können. Häufig wird der Gesamt-Vitamin D Gehalt untersucht, welcher sowohl die Ergebnisse für 25-Vitamin D3 als auch 25-Vitamin D2 im Blut berücksichtigt. Aussagekräftiger ist jedoch der freie-Vitamin-D3-Status, weil nur das freie Vitamin D3 biologisch aktiv und somit für den Körper zugänglich ist. Unterschiede im Ergebnis der beiden Bluttests können durch verschiedene Störgrößen verursacht werden. Beispiele sind der jeweilige Estrogenspiegel bei Frauen oder eine Nieren- bzw. Lebererkrankung, welche die Werte verzerren.
- Zink
Bei veganer Ernährung gilt Zink als kritischer Nährstoff, nicht etwa weil pflanzliche Quellen weniger Zink enthalten würden, sondern weil die Aufnahmefähigkeit (Bioverfügbarkeit) von Zink aus pflanzlichen Quellen im Vergleich zu tierischen Quellen vermindert ist. Insbesondere liegt dies an der in pflanzlichen Nahrungsmitteln enthaltenden Phytinsäure, welche die entsprechende Bioverfügbarkeit senkt. Dennoch kannst Du Deinem Körper durch eine vegane Ernährung ausreichend Zink zur Verfügung stellen, indem Du beispielsweise den Phytinsäuregehalt durch Prozesse wie fermentieren, keimen oder erhitzen sinkst. Als reichhaltige, vegane Quellen sind insbesondere Samen und Kerne (z.B. Kürbiskerne, Sesam oder Sonnenblumenkerne), Nüsse sowie Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte bekannt.
Ob Du einen Zinkmangel hast, kann über drei Wege überprüft werden. Zum einen gibt es zwei verschiedene Bluttests, zum anderen lässt sich auch hier wieder der Urin untersuchen. Bei den Bluttests gibt es sowohl die Möglichkeit, den Zinkgehalt im Vollblut als auch im Serum zu ermitteln. Jedoch können die Werte im Serum durch den individuellen Anteil an roten Blutkörperchen beeinflusst werden, weshalb die Messung aus dem Vollblut zu bevorzugen ist.
- Eisen
Eisen – ist ähnlich wie Zink kein problematischer Nährstoff was den allgemeinen Gehalt in pflanzlichen Lebensmitteln anbetrifft, sondern dessen Bioverfügbarkeit. So gibt es auch bei der Eisenaufnahme verschiedene Einflüsse, welche die Resorptionsrate von Eisen verbessern bzw. verschlechtern können. Beispielsweise kann wieder das Erhitzen, Keimen oder Fermentieren den Gehalt an Phytinsäure senken, die neben Zink auch die Absorption von Eisen hemmt. Außerdem kann die Eisenaufnahme durch Stoffe wie Vitamin C oder Beta Carotin verbessert werden. Was die Eisenquellen anbetrifft, gibt es auch hier die Ähnlichkeit zu Zink, weil Eisenquellen auch Zink enthalten. Somit sind die bereits genannten Zinkquellen Samen, Kerne, Nüsse, Getreide und Hülsenfrüchte auch reich an Eisen. Bei bewusster Auswahl von eisenhaltigen Lebensmitteln kannst Du Deinen Eisenbedarf meist problemlos decken, doch spätestens während einer Schwangerschaft wird eine Substitution von Eisen grundsätzlich empfohlen. Grund dafür ist der stark erhöhte Bedarf, welcher sich – egal ob omnivor oder vegan – nur schwer über die Nahrung decken lässt.
Die Diagnostik eines Eisenmangels ist im Vergleich zu anderen Nährstoffen relativ komplex und es müssen mehrere Laborwerte analysiert werden. Die wichtigsten Parameter dafür sind die Eisenkonzentration im Serum und im Vollblut sowie der Transferrin- und Ferritin-Status. Dass beispielsweise der Eisengehalt im Serum allein keinen Eisenmangel bestätigt, liegt hierbei an der nicht klaren Ursache für den veränderten Laborwert. Denn eine verminderte Eisenkonzentration im Serum kann nicht nur durch einen Mangel sondern auch durch Entzündungen oder Tumore begründet sein.
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