Kritische Nährstoffe bei pflanzlicher Ernährung (Teil 2)

von Pia Sander-Beuermann

 

Bei veganer Ernährung sind verschiedene Nährstoffe von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) als potenziell kritisch deklariert. Das bedeutet für Dich, dass Du einen verstärkten Fokus bei Deiner Lebensmittelauswahl auf diese Nährstoffe haben solltest, um keinen Mangel zu riskieren. Manchmal ist daher auch eine gezielte Supplementierung sinnvoll und wir haben Dir im letzten Beitrag bereits einen Überblick zu den Nährstoffen Vitamin B12, Calcium, Vitamin D, Zink und Eisen gegeben. Dieser Beitrag ergänzt die Liste der potenziell kritischen Nährstoffe bei veganer Ernährung, indem die Spurenelemente Jod und Selen, sowie Vitamin B2, langkettige Omega-3-Fettsäuren und essenzielle Aminosäuren bzw. das Thema pflanzliche Proteinquellen aufgegriffen werden. Zu jedem Nährstoff erklären wir Dir jeweils, warum sie als kritisch gelten und welche Blutwerte untersucht werden können. Dazu bekommst Du von uns Tipps, mit welchen veganen Lebensmitteln Du jeweils Deinen täglichen Bedarf decken kannst und wann eine Supplementierung wirklich notwendig wird.

 

  1. Jod

Jod ist ein essentielles Spurenelement und sehr wichtig für beispielsweise Wachstumsprozesse, das Nervensystem oder Deinen Hormonhaushalt. Wie Vitamin D gilt Jod als allgemein kritischer Nährstoff in der deutschen Gesamtbevölkerung, wobei dieser Mangel auch Verganer:innen betrifft. Um Deinen täglichen Bedarf für Jod zu decken, zeigt eine Studie sehr deutlich, dass die Verwendung von jodhaltigem Salz sehr wichtig ist: Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass wenn beim Kochen kein Jodsalz verwendet wird, 96% der Männer und 97% der Frauen nicht die tägliche Empfehlung für Jod erreichen. Grund dafür sind sehr jodarme Böden und Grundwasser in Deutschland, wodurch die Pflanzen und Nutztiere nicht ausreichend Jod enthalten. Ein kleiner Tipp für die Küche: Die beste Quelle für Jod sind neben angereichertem Salz auch Meeresalgen.

Über einen Bluttest lassen sich die Werte verschiedener Hormone untersuchen, für deren Produktion der Körper Jod benötigt. Werden geringe Mengen der Hormone TSH, T3 und T4 festgestellt, wird meist ein Jodmangel vermutet. Jedoch können Abweichungen bei den Hormonen auch andere Ursachen haben, weshalb dieser Rückschluss nicht sicher ist. Am aussagekräftigsten für den Jod-Status gilt daher auch die Auswertung einer 24-Stunden-Urinprobe, um die Ausscheidungswerte zu untersuchen.

 

  1. Selen

Mehrere Studien legen dar, dass vegan lebende Personen öfter einen Selenmangel haben als Mischköstler:innen. Zwar sind die Böden in Deutschland sehr selenarm, jedoch wird das Futter der Tiere angereichert, wodurch der Selengehalt in tierischen Produkten erhöht wird. Im Vergleich dazu werden in der Agrarwirtschaft die Böden kaum mit Selen angereichert, weshalb pflanzliche Quellen hierzulande einen geringen Selengehalt aufweisen. Folglich ist es für Veganer:innen schwieriger, den täglichen Bedarf durch eine gute Lebensmittelauswahl zu decken. Allerdings gelten Paranüsse als sehr gute Selenquelle, weil der tägliche Verzehr von zwei bis drei Paranüssen bereits für den gesamten Tagesbedarf ausreicht. Eine weitere exzellente Selenquelle sind Steinpilze, wobei diese vergleichsweise teuer sind, wenn sie zur täglichen Selenversorgung dienen sollen. Als Alternative dient bislang weiterhin ein Multinährstoffpräparant, weil die pflanzlichen Selenquellen zumindest im europäischen Raum überschaubar sind.

Überprüft werden kann der Selenstatus mittels einer Laboruntersuchung des Vollbluts oder Serums, wobei der Selengehalt im Vollblut eher einen langfristigen Mangel anzeigen kann und die Konzentration im Serum verstärkt kurzfristige Schwankungen widerspiegelt.

 

  1. Vitamin B2

Laut DGE wird auch das Vitamin B2 (Riboflavin) als kritischer Nährstoff für vegan lebende Menschen genannt. Grund dafür ist die geringere Resorptionsrate von pflanzlichen Quellen, denn der Körper kann das Vitamin B2 aus tierischen Quellen besser aufnehmen. Weil sich der Körper aber in diesem Fall an die vegane Kost anpasst, verbessert sich – über einen längeren Zeitraum gemessen – die Aufnahmefähigkeit des Vitamin B2 aus pflanzlichen Quellen wieder. Zudem gibt es ausreichend verschiedene Quellen, um den Bedarf spielerisch zu decken. Lebensmittel mit einem hohen Vitamin B2 Gehalt sind beispielsweise Champignons, Hülsenfrüchte (Sojabohnen, Erbsen und Linsen), Mandeln, Kürbiskerne, Hefeflocken oder Vollkornbrot. Kleiner Tipp für die Küche: Durch entsprechendes Keimen der Hülsenfrüchte kann die Bioverfügbarkeit verbessert werden.

Ob Du einen Vitamin B2 Mangel hast, kannst Du über einen Bluttest leicht herausfinden. Dafür wird das Riboflavin im Vollblut gemessen und wenn dieser Wert erniedrigt ist, kann ein Mangel direkt diagnostiziert werden.

 

  1. Langkettige Omega-3-Fettsäuren

Unter den langkettigen Omega-3-Fettsäuren sind die zumeist in fetthaltigen Fischen enthaltenen Fettsäuren DHA und EPA gemeint. Sie gelten als semi-essenzielle Nährstoffe, was bedeutet, dass der Körper diese Nährstoffe benötigt, sie jedoch auch selbst unter bestimmten Voraussetzungen aus einer anderen Fettsäure (ALA) synthetisieren kann. Die ursprünglichen Quellen von DHA und EPA sind nicht wie oft angenommen Fische, sondern verschiedene Mikroalgen, die von Fischen über die Nahrungskette aufgenommen werden. Deshalb können diese Mikroalgen auch direkt als vegane Nährstoffquelle dienen, wodurch pflanzliche Quellen durchaus zur Verfügung stehen. Wie bereits erwähnt, kann der Körper auch selbst ausreichend EPA und zumindest einen Teil des benötigten DHAs aus der Omega-3-Fettsäure ALA produzieren. Gute ALA Quellen sind beispielsweise Leinsamen, Chiasamen oder geschälte Hanfsamen, wobei das Einweichen vor dem Verzehr empfohlen wird, um die Resorptionsrate zu erhöhen. Weil aber gerade die Eigensynthese von DHA nur bedingt ausreicht, wird hierfür eine Supplementierung oder entsprechend ausreichender Konsum bestimmter Algen empfohlen.

Zur Ermittlung der EPA und DHA Versorgung können Labore den sogenannten Omega-3-Index bestimmen. Dabei werden die roten Blutkörperchen untersucht und der prozentuale Anteil von EPA und DHA gemessen. Wenn das Ergebnis aus dem Normbereich abweicht, kann direkt auf einen Mangel oder Überversorgung geschlussfolgert werden. 

 

  1. Essenzielle Aminosäuren

Insgesamt gibt es 8, in manchen Phasen auch 9 verschiedene Aminosäuren, die Du für bestimmte Körperfunktionen über Deine Ernährung aufnehmen musst, weshalb sie als essenzielle Aminosäuren gelten. Alle anderen Aminosäuren kann Dein Körper selbst synthetisieren, weshalb sie nicht zwangsläufig über die Nahrung aufgenommen werden müssen und als nicht-essenziell gelten. Aminosäuren sind die Baustoffe von Proteinen und daher grundsätzlich in jedem Lebensmittel enthalten, das Protein enthält. Dennoch wirst Du sicherlich schon oft gelesen haben, dass die biologische Wertigkeit von pflanzlichen Proteinquellen schlechter als jene von tierischen Proteinen sei. Gemessen wird die biologische Wertigkeit anhand der Vielzahl an verschiedenen Aminosäuren und insbesondere daran, ob alle essenziellen Aminosäuren enthalten sind. Zwar enthalten pflanzliche Proteinquellen alle essenziellen Aminosäuren, doch bei einem starken Kaloriendefizit oder bei sehr einseitiger Auswahl der Proteinquellen kann es zu einem Mangel kommen. Sobald Du also in Deiner Ernährung verschiedene Proteinquellen in ausreichender Menge miteinander kombinierst und beispielsweise Hülsenfrüchte mit Getreide und Nüssen isst, kannst Du damit Deinen Bedarf an allen essenziellen Aminosäuren decken.

Um Deinen aktuellen Aminosäurestatus zu überprüfen, können über das Blut alle essenziellen und zudem auch alle nicht-essenziellen Aminosäuren untersucht werden. Als Ergebnis dieses Tests erhältst Du ein sogenanntes Aminogramm, wo alle gemessenen Werte aufgeschlüsselt sind.


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