IGF-1, pflanzliches Protein & deine Gesundheit
3. Was Protein mit Langlebigkeit zu tun hat
4. Krebs als Multifaktorielle Erkrankung
5. Schlüsselfaktoren Ernährung & Übergewicht
6. Schlüsselfaktoren Sport und Bewegung
7. Fazit
8. Quellen
1. Proteine - Die Bausteine des Lebens
2. Proteinbedarf
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt 0,8 g Protein pro Kg Körpergewicht für Männer und Frauen im Alter von 19-65 Jahren. Für Personen >65 Jahre wird 1 g Protein pro Kg Körpergewicht empfohlen, für Sportler sind es "in Abhängigkeit von Trainingszustand und Trainingsziel ca. 1,2–2,0 g/kg". Wissenschaftler sagen, dass negative Effekte bei einer dauerhaft erhöhten Zufuhr von >2,0 g pro KG/ Tag nicht ausgeschlossen sind.
Der tägliche Bedarf kann über Lebensmittel gedeckt werden, die von Natur aus reich an Proteinen sind. Beispielsweise Fleisch (vorzugsweise Geflügel), fettarmer Fisch, Eier und Milchprodukte (für Omnivore), sowie über pflanzliche Lebensmittel wie Linsen, Bohnen, Erbsen und Sojaprodukte.
59% der in Europa aufgenommenen Proteine sind nach Angaben tierischer Herkunft, wobei das für die Gesundheit nicht immer die beste Lösung ist. Wieso das so ist, erläutern wir dir in den nächsten Abschnitten.
3. Was Protein mit Langlebigkeit zu tun hat
Studien zeigen, dass bereits der Ersatz von 3 % der täglichen Energie aus tierischem Protein durch pflanzliches Protein, das Mortalitätsrisiko bei Männern und Frauen um 10 % senken konnte.
Eine dieser vermuteten negativen Auswirkungen des Verzehrs von (tierischem) Eiweiß ist ein Anstieg der Werte des insulinähnlichen Wachstumsfaktors 1 (IGF-1). IGF-1 ist ein Hormon, das hauptsächlich in der Leber als Reaktion auf die Stimulierung durch Wachstumshormone gebildet wird. Es spielt eine entscheidende Rolle für das Wachstum und die Teilung von Zellen und ist daher für die Entwicklung im Kindes- und Jugendalter wichtig. Bei Erwachsenen wird ein hoher IGF-1-Spiegel jedoch mit einem erhöhten Risiko für Diabetes und verschiedene Krebsarten in Verbindung gebracht. Dies ist nicht verwunderlich, da IGF-1 Zellwachstumsprozesse im Allgemeinen ankurbelt, also auch das Wachstum von Krebszellen.
Studien zeigen, dass tierisches Protein das IGF-1 dosisabhängig aktiviert und gleichzeitig das Mortalitätsrisiko, sowie das Diabetes- und Krebsrisiko ansteigen lässt. Fraglich bleibt, welche Rolle dabei das IGF-1 spielt.
In einer Langzeitstudie wurden Proband*innen über 18 Jahre lang beobachtet. Gruppen mit dem vergleichsweise höchstem Anteil an tierischem Protein (20 % der Gesamtenergie) wiesen nach Ende der Studie 75 % höhere Sterblichkeitsraten auf im Gegensatz zu der Gruppe mit dem geringsten Anteil an tierischem Protein (<10 %). Das Krebs- und Diabetesrisiko hatte sich nach 18 Jahren vervierfacht.
Eine weitere Studie ergab, dass Menschen, die sich vegan ernähren deutlich niedrigere IGF-1-Werte aufweisen als Menschen, die sich vegetarisch oder omnivor ernähren. Zudem waren die Veganer besser in der Lage, überschüssiges IGF-1 in ihrem Blut zu binden und auszuscheiden. Probanden, die sich 14 Jahre lang pflanzlich ernährten, hatten nur halb so viel IGF-1 im Körper und mehr als doppelt so viele IGF-bindende Proteine wie Menschen mit Standardkost. Die Umstellung auf eine rein pflanzliche Ernährung konnte in Studien den IGF-1-Spiegel innerhalb von nur 11 Tagen deutlich gesenkt werden.
Die Forschung rätselt jetzt, wie sich dieser markante Unterschied erklären lässt. Es gibt verschieden Theorien:
- Unterschiede in der Einweißmenge: Das Eiweiß IGF-1 erhöht ist unstrittig. Viele sich pflanzlich ernährende Personen nehmen weniger Eiweiß zu sich als omnivore Personen. Dies könnte den Unterschied erklären.
- Unterschiede im Aminosäureprofil: Das Aminosäureprofil von tierischem Protein ist dem des Menschen sehr ähnlich, während das der pflanzlichen Proteine nicht ganz so ähnlich ist. Die Studienlage ist hier aber derzeit noch unzureichend.
- Möglicherweise besteht auch ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Wachstumshormonen, die Kühen in modernen Milchviehbetrieben verabreicht werden und dem IGF-1-Spiegel beim Menschen. Die Studienlage ist auch hier noch unzureichend.
Hinweis zur Studienlage: Die Studienlage zu diesem sehr speziellen Thema ist dünn und noch nicht umfassend erforscht. Insbesondere fehlen hier randomisierte Kontrollstudien und Studien mit Proband*innen im Alter von <35 Jahren. Sobald neue Erkenntnisse aus der Forschung erscheinen sollten, werden wir euch über diesen Weg auf dem Laufenden halten.
Update:
Eine neuere kleine Studie aus dem Jahr 2022 hat untersucht, wie sich der Konsum von tierischem Protein vs. pflanzlichem Protein sich auf das IGF-1 System auswirkt. Verblüffend war, dass pflanzliches Eiweiß einen ähnlichen Anstieg von IGF-1 hervorruft wie tierisches Eiweiß. Angesichts der Tatsache, dass der Konsum von pflanzliches Protein als gesünder betratet wird (in Bezug auf die Gesamtsterblichkeitsrate) im Vergleich zum Konsum von tierischem Protein, ist dies sehr spannend. Es spricht tatsächlich gegen eine Rolle von IGF-1 bei der Vermittlung der negativen Auswirkungen einer hohen Aufnahme von tierischem Eiweiß. In der Tat ist die Literatur zu diesem Thema derzeit sehr unschlüssig.
Wenn sich die Ergebnisse dieser kleinen Studie replizieren lassen,
könnte dies darauf hinweisen, dass, dass die Unterschiede zwischen der Aufnahme von pflanzlichem und tierischem Eiweiß und dem Krebs- oder kardiovaskulären Risiko nicht auf die Auswirkungen von IGF-1 zurückzuführen sind, sondern auf die schützenden Eigenschaften anderer Komponenten, die in pflanzlicher Ernährung enthalten sind.
Sprich, eine pflanzliche Ernährung ist im Allgemeinen immer noch gesünder, aber ggf. wird die Rolle von IGF-1 überschätzt.
4. Krebs als Multifaktorielle Erkrankung
Wir möchten hier nicht außer Acht lassen, dass Krebs eine multifaktorielle Erkrankung ist. Dies bedeutet, dass die Entstehung von Tumoren durch viele verschiedene Faktoren ausgelöst oder begünstigt werden kann. Der Konsum von tierischem Protein ist somit nicht der einzige Faktor.
Meistens können die Ursachen für einen wachsenden Tumor nicht eindeutig identifiziert oder voneinander abgegrenzt werden. Folgende Faktoren können unter anderem die Entstehung von Tumoren begünstigen:
- Umwelteinflüsse wie z.B. UV- Strahlen
- Tabakkonsum
- erhöhter Alkoholgenuss
- Arbeitsplatzbedingungen (z.B. Chemikalien)
- Genetische Faktoren
- Körperliche Inaktivität
- Unausgewogene Ernährung
- Übergewicht
5. Schlüsselfaktoren Ernährung & Übergewicht
Neben dem Konsum von Protein haben noch weitere Faktoren in der Ernährung Einfluss auf die Entstehung von Tumoren.
So ist auch ein hoher Konsum von gesättigten Fettsäuren in der Ernährung mit einem höherem Risiko für Krebs verbunden. Ebenso eine dauerhaft erhöhte Kalorienzufuhr, welche eine Gewichtszunahme und Übergewicht zur Folge hat, wird von der Deutschen Krebsgesellschaft als Risikofaktor angesehen. Nach aktuellem Forschungsstand initiiert das überschüssige Fettgewebe, wie auch tierisches Protein, die vermehrte Bildung von IGF-1.
Neben dem BMI ist auch die Fettverteilung am Körper maßgeblich. Das viszerale Fett, welches sich um die Organe und im Bauchraum ansammelt und nicht sichtbar ist, ist laut Studien mit einem größerem Krebsrisiko verbunden. Das subkutane Fett hingegen befindet sich direkt unter der Haut, ist gut sichtbar und mit einem geringeren Krebsrisiko verbunden.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Ballaststoffzufuhr von mindestens 30g. Studien nach zu urteilen, haben Ballaststoffe einen präventiven Effekt gegenüber Krebs, kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes und Übergewicht.
Die Deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt eine Ernährungsweise, die auf pflanzlichen Lebensmitteln basiert in welcher tierische Produkte nur als Ergänzung konsumiert werden. Wer sich nach den Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung richtet (dge.de), ist ebenso gut aufgestellt.
6. Schlüsselfaktoren Sport und Bewegung
Laut Wissenschaftlern gehören Sport und Bewegung neben der Ernährung zu den wichtigsten Schlüsselfaktoren bei der Tumorentstehung. Im Schnitt gehen etwa 6 von 100 Krebserkrankungen auf nicht ausreichende körperliche Aktivität zurück. Körperliche Aktivität senkt insbesondere das Risiko für Nierenkrebs, Blasenkrebs, Speiseröhrenkrebs und Magenkrebs.
Welche Mechanismen hinter der präventiven Wirkung stecken, ist bis heute noch unklar. Sport und Bewegung wirken sich in jedem Fall positiv auf das Herz-Kreislaufsystem, den Blutdruck und den Ruhepuls aus. Außerdem beugt Bewegung Übergewicht vor, baut Stress ab und stärkt das Immunsystem.
Eine ausgewogene Ernährung und ein gesundes Maß an körperlicher Aktivität, scheinen die beste Grundlage für einen gesunden Lebensstil zu bilden und somit Krebs präventiv vorzubeugen.
7. Fazit
- Ein hoher Anteil an tierischen Proteinen in der Ernährung erhöht die Sterblichkeit, sowie das Diabetes- und Krebsrisiko.
- Krebs ist multifaktoriell und kann diverse Ursachen haben.
- IGF-1 ist ein insulinähnliches Wachstumshormon und fördert das Wachstum von (Krebs)zellen.
- Die IGF-1 Werte können mit einer pflanzlichen Ernährung verbessert werden.
- Die Rolle von tierischem und pflanzlichen Protein auf das IGF-System muss weiter untersucht werden.
8. Quellen
- Mingyang Song et al. Online: Animal and plant protein intake and all-cause and cause-specific mortality: results from two prospective US cohort studies (nih.gov)
- Rita Schüler et al. Similar dietary regulation of IGF-1- and IGF-binding proteins by animal and plant protein in subjects with type 2 diabetes. Online: Similar dietary regulation of IGF-1- and IGF-binding proteins by animal and plant protein in subjects with type 2 diabetes.
- Morgan E. Levinea et al. Low Protein Intake is Associated with a Major Reduction in IGF-1, Cancer, and Overall Mortality in the 65 and Younger but Not Older Population. Online: Low Protein Intake is Associated with a Major Reduction in IGF-1, Cancer, and Overall Mortality in the 65 and Younger but Not Older Population (nih.gov)
- König et al. Proteinzufuhr im Sport. Onine: EU07_2020_M406_M413_1.pdf (ernaehrungs-umschau.de)
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Protein. Online: Protein - DGE
- Bayerische Krebsgesellschaft e. V.: Krebs und Sport. Online: http://www.krebsgesellschaft.de/download/bkg_broschuere_krebs-und-sport_2013.pdf[2] Davies [2] NJ, Batehup L, Thomas R. The role of diet and physical activity in breast, colorectal, and prostate cancer survivorship: a review of the literature. British Journal of Cancer (2011) 105, S52 – S73; doi:10.1038/bjc.2011.423
- Lewandowska et al. Environmental risk factors for cancer – review paper. Online: Environmental risk factors for cancer – review paper (aaem.pl)
- Deutsche Krebsgesellschaft. Krebsrisikofaktor Ernährung Online: Krebsrisikofaktor Ernährung (dkfz.de)
- Deutsche Krebsgesellschaft. Lebensstil und Lebenserwartung. Online: FzK_2014_Lebensstil-und-Lebenserwartung.pdf (dkfz.de)
- International Agency for Research on Cancer (WHO): Europäischer Kodex zur Krebsbekämpfung. Online: cancer-code-europe.iarc.fr
- Steven D. Mittelman. The Role of Diet in Cancer Prevention and Chemotherapy Efficacy. Online: The Role of Diet in Cancer Prevention and Chemotherapy Efficacy (nih.gov)
- James M. Lattimer and Mark D. Haub. Effects of Dietary Fiber and Its Components on Metabolic Health. Online: Effects of Dietary Fiber and Its Components on Metabolic Health (nih.gov).
Danke für den interessanten Artikel.
Frage: Kann der IGF 1 auch zu niedrig sein?
Ich bin Vegetarierin (mit Tendenzen zu vegan) und habe bei einer STARKEN Osteoporose (mit 58 J.) einen Wert von 72,8 bei Normwerten von 81 – 225.
Ich las, dass ein zu niedriger Spiegel Osteoporose begünstigen kann.
Danke für Nachricht !
MfG, B. Hertwig